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Fasnacht in Liechtenstein

Lärmumzüge und Maskenlaufen, neben Tanz, Spielen, Schmausereien und Feuer zwei wichtige Elemente der Fasnacht, sind in vielen Kulturen seit der Antike belegt. Je nach Theorie ist die heute in Mitteleuropa gepflegte Fasnacht dem Ursprung nach keltisch-germanisch, römisch oder eine mittelalterliche Neuschöpfung. Verschieden sind auch die Sinndeutungen der Fasnacht. War die Fasnacht in ihrem Ursprung mit Sonnenkult und Fruchtbarkeitszauber verbunden oder diente sie der Vertreibung böser Kräfte und der Beschwörung der guten Geister? Auf jeden Fall kommen darin die mythische Lebensauffassung und die enge Naturverbundenheit unserer Vorfahren zum Ausdruck. Noch heute haftet etwas vom unheimlichen Verwandlungsglauben an Larve und Verkleidung, womit unsere vorchristlichen Ahnen vegetations- und menschenfeindliche Dämonen zu bannen suchten. Dahinter steckte die Anschauung, der Dämon würde vor dem gleichen Gesicht, das er in der Larve findet, fliehen. Die Fasnacht ist aber sicher auch ein Ausdruck der Freude über das Weichen des Winters und das Kommen des Frühlings. Von all dem ist heute freilich nicht mehr allzu viel zu spüren, und in gewissem Sinne ist die Fasnacht ein Paradebeispiel dafür, dass Bräuche sich verändern können, wenn sie ihren ursprünglichen Zweck eingebüsst haben. Das Fasnachtsgeschehen ist bei uns auf die sechs Tage vor Aschermittwoch festgelegt. Der Termin der Fasnacht bezieht sich also auf die Fastenzeit und damit auf den kirchlichen Kalender. Aber während die Fastenzeit auf ein jenseitiges Leben hin orientiert ist, verhält es sich mit der Fasnacht genau umgekehrt. In der Fasnacht stehen das Vergnügen, das Essen und Trinken im Mittelpunkt und die gesellschaftlichen Normen sind für viele einige Tage ausser Kraft gesetzt. Bei der Entwicklung der Fasnacht hatte in unserem Raum immer auch die Kirche "viele Hände im Spiel" (Vorarlberger Nachrichten vom 21. Jan. 1984). Die ablehnende Haltung gegenüber Maskierung und ausgelassenem Vergnügen formulierte schon der heilige Pirmin, der Gründer des Klosters Reichenau (… 753), folgendermassen: "Am ersten Tag des Monats (Februar?) sollt ihr nicht Felle von Hirschen oder Pferden anziehen. Männer sollen keine Frauenkleider und Frauen keine Männerkleider an diesen Tagen oder an anderen oder zu anderen Spielen tragen. Kein Christ soll es wagen bei den Kirchen, in den Häusern oder an Kreuzwegen oder an irgendeinem anderen Ort Reigen-, Sing- und Tanzspiele oder Scherze und verwerfliche Spiele zu treiben." Trotz Ablehnung, Konflikten und Wandlungen hat sich die Fasnacht insbesondere in katholischen Gebieten bis heute gehalten. Während die Protestanten die Fasnacht nach der Reformation ablehnten, konnten die Katholiken ihr durchaus auch positive Seiten abgewinnen. Brachte die Fasnacht in ihren verschiedenen Brauchformen doch auch die Vergänglichkeit des irdischen Lebens und seine Unzulänglichkeiten zur Darstellung. Darin steckte ganz im Sinne der Kirche ein lehrhafter Charakter. Allerdings haben die verschiedenen Brauchformen diesen Sinn in der im 19. Jahrhundert vollzogenen Umdeutung des Ursprungs und der Zusammenhänge der Fasnacht verloren. Heute machen sich auch in unserer heimischen Fasnacht überall fremde Einflüsse bemerkbar. Sie kommen vor allem vom rheinischen Karneval und von der Schweizer Fasnacht, die das Fernsehen jedes Jahr ins Haus liefert. Manches einheimische Fasnachtsbrauchtum ist dadurch in den Hintergrund gedrängt worden, und Guggenmusiken und Büttenredner haben ihren Einzug gehalten. Dieser Wandel wird sich aber nicht verhindern lassen und hat in manchem auch eine Bereicherung gebracht. Trotzdem wünschte man sich manchmal etwas mehr Rücksicht auf die gewachsenen einheimischen Traditionen.

Am Schmutzigen Donnerstag beginnt die eigentliche Fasnacht. In den folgenden sechs Tagen bis zum Aschermittwoch verdichtet sich das fasnächtliche Treiben mehr und mehr. Der Schmutzige Donnerstag hat gegenüber den anderen fasnächtlichen Tagen mit dem "Suppenhafenstehlen" und dem "Ruassla" seine Besonderheiten. Während das erstere nicht mehr mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie früher gepflegt wird und selten geworden ist, erfreut sich das "Ruassla" vor allem bei den Kindern nach wie vor grosser Beliebtheit.

Am Schmutzigen Donnerstag heisst es für die Köchin: "Aufgepasst auf den Suppenhafen". Durch allerlei Täuschungsmanöver versuchen die Burschen die Köchin aus der Küche zu locken, während einer von ihnen den Suppentopf samt Bohnensuppe und geräuchertem Fleisch mitgehen lässt. In Balzers ist es "Schwinigs und Krut" oder "Gröchts und Erbsasoppa", in Schellenberg und Mauren ein Braten, worauf die Hausfrau am Schmutzigen Donnerstag ein besonderes Auge haben muss. Bei der Rückgabe liegt dann ein alter Schuh im Kochtopf, und die Köchin hat zum Schaden auch noch den Spott. Oft übertölpeln die Köchinnen aber auch die Burschen und geben schon im vorhinein einen Schuh in den Topf. Das Suppenhafenstehlen ist auf einer Briefmarke, die im März 1983 zur Ausgabe gelangte, dargestellt.

Beim "Ruassla" schwärzen die Kinder einander die Gesichter. Verwendet werden dabei angebrannte Korkzapfen oder Speckschwarten, die man an der Unterseite der Pfanne oder der Abdeckung des Holzherdes (sofern ein solcher noch vorhanden ist) entlangstreift und so mit Russ bedeckt. Beim "Ruassla" heisst es aufgepasst, dass man selbst nicht geschwärzt wird. Es ist dabei kaum zu vermeiden, dass es gelegentlich auch derb zugeht und auch die Kleider etwas abbekommen. Meistens sind beim "Ruassla" die Mädchen die Opfer der Buben. Früher war es auch bei den Erwachsenen üblich, ist heute aber selten geworden.

In Balzers, so berichtet Vorsteher Emanuel Vogt, "butznen" die Kinder seit jeher und auch heute noch. Man verkleidet sich mit "alta Hodla" (alte Kleider, möglichst aus Grossmutters Zeiten), legt eine Larve an und springt als "Butze" einzeln oder in Gruppen durch das Dorf. Man rennt auf der Strasse den Kindern nach und versucht sie zu verprügeln und nach Hause zu jagen. Die nicht vermummten Kinder laufen den Butze nach und fordern sie mit dem Ruf "Butze, Butze... immer wieder zum Fangen heraus. Auch die Erwachsenen versucht man zu ärgern und probiert dabei, wie weit man gehen darf. In Gasthäusern versucht man mit unterschiedlichem Erfolg, Getränke zu erhalten. In Triesen ist der Brauch auch bekannt und heisst dort "Schumbensili". In Triesenberg nennt man die vermummten Kinder "Bützi". In Eschen rufen die Kinder: "Fideli, Brunzkehli, Schuhnagla, Rossgagla. Maschgera, maschgera, Kottlablätz, kehr di um und mach di lätz", oder "Maschgera, maschgera, roll roll roll, macht dr Hafa eba voll".

In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts sind hierzulande die Kinder und Jugendlichen zu den vornehmlichen Trägern des fasnächtlichen Treibens und der Vermummung geworden. Im Unterland gehen die Kinder "maschgera". Sie ziehen mit Larven und in Fasnachtsverkleidung mit einem Korb von Haus zu Haus und betteln mit verstellter Stimme "Eierle" oder "Uierle". Wenn die Gebefreudigkeit der Hausfrauen erschöpft oder der Korb gar voll Eier ist, tauscht man die Eier im Laden gegen Süssigkeiten oder andere Waren ein. Das "Eierla" war bis vor etwa 30 Jahren vor allem am Fasnachtsmontag und am Fasnachtsdienstag noch allgemein üblich. Heute sind es nur mehr wenige Kinder und Jugendliche, die das "Eierla" pflegen. Sie beschränken sich dabei auf ihr Wohngebiet oder auf ihren weiteren Bekanntenkreis. Das "Eierla" ist deshalb nicht mehr überall bekannt.

Eine alte einheimische fasnächtliche Gepflogenheit ist das Kaffeekränzle der verheirateten Frauen. Sie, die sonst kaum an den Unterhaltungen der Fasnachtszeit teilnehmen konnten, organisierten in privatem Kreis unter Nachbarinnen und Freundinnen ein Fasnachtsvergnügen bei Kaffee und Kuchen. Aus diesen nachbarlichen Kaffeekränzle ist dann das Fasnachtskränzle in den Gasthäusern entstanden. Die Frauen gehen bereits am Nachmittag in die Wirtschaft, wo sie unter sich sind, bis dann am Abend zum Nachtessen die Ehemänner dazustossen, die auch wegen des Zahlens gerne in die Runde aufgenommen werden. Bis spät in die Nacht wird dann getanzt und gefeiert. Der grosse Fasnachtsrummel unserer Zeit hat diesen Kränzle den Rang abgelaufen, so dass sie seltener geworden sind. In etwas anderer Form will man aber die Kaffeekränzle wieder aufleben lassen. Man erweitert den kleinen, privaten Kreis zur Unterhaltung für die ganze Gemeinde, da die verheirateten Frauen nun gleichberechtigt sind und auch an öffentlichen Unterhaltungen teilnehmen wollen.

In einigen Gemeinden des Landes gibt es Fasnachtsumzüge. Sie sind die spektakulären Höhepunkte auf dem fasnächtlichen Schauplatz eitler und vergänglicher Freuden. Die Hauptelemente eines Umzuges bilden buntes Maskentreiben von Jung und Alt und die Fasnachtswagen, die bühnenartig an den Zuschauern vorbeiziehen und Ereignisse aus Politik und Zeitgeschehen humorvoll und ironisch darstellen. Allerdings mangelt es dabei manchmal an Feingefühl, so dass trotz der fasnächtlichen Narrenfreiheit nicht immer alle ihre ungetrübte Freude daran haben. Kleinere, spontane Vorläufer der heutigen grossen Fasnachtsumzüge gab es schon früher in einzelnen Gemeinden, aber den ersten grossen, organisierten Fasnachtsumzug veranstalteten Mitglieder des Fussballclubs Schaan im Jahre 1952. Sie suchten damals nach neuen Wegen, um dringende Anschaffungen finanzieren zu können. Daraus entstand die Idee eines Fasnachtsumzuges und eines anschliessenden Plausch-Fussballspiels auf dem "Flugplatz" in Schaan. Dem Ganzen war Erfolg beschieden und der Schaaner Fasnachtsumzug somit geboren. Die grössten Umzüge finden heute in Schaan, Vaduz und in Triesenberg statt. Finanziert werden sie durch den Verkaufserlös aus Plaketten, Fasnachtzeitungen und dergleichen.

Zu einem festen Bestandteil der Fasnachtsumzüge und Fasnachtsunterhaltungen in unserem Lande sind in den letzten Jahren die aus der Schweiz übernommenen Guggenmusiken geworden. Vor allem die jüngere Generation empfindet diese Art närrischer Aktivität als die heute zeitgemässe Fasnachtsunterhaltung und erwartet sie bei jeder Veranstaltung. Die Guggenmusiken sind Ausdruck des steten Wandels im Fasnachtsgeschehen; jedes Zeitalter findet auch hier zu den ihm gemässen Ausdrucksformen. In Liechtenstein liegen die Anfänge der Guggenmusiken in den fünfziger Jahren, als Schweizer Gastgruppen an der Schaaner Fasnacht teilnahmen. Als erste machte die Gruppe "Barfussneger Lozern" mit. Das Beispiel machte Schule, und im Jahre 1971, erfreute die "Schaaner Guggenmusik" als erste einheimische Gruppe die Zuhörer mit ihrem infernalischen Lärm. Drei Jahre später folgte die Gruppe "Minigugge", jetzt "Plunderhüsler". Heute gibt es in mehreren Gemeinden Guggenmusiken, die in ihrer Form zwar aus der Schweiz übernommen worden sind, mit ihren Namen aber in engem Zusammenhang mit Liechtenstein stehen. Sie nennen sich: "Moschtgügeler" in Triesen (seit 1976), "Törmliguger" in Vaduz (seit 1973), "Röfischränzer" (seit 1971) und "PunderhüsIer" (seit 1973) in Schaan, "Wildmanndli-Gugga" (seit 1980) in Triesenberg und "Tuarbaguger" in Eschen (seit 1982). Sie alle zusammen bestreiten gemeinsam mit Gruppen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz seit 1976 das Monsterkonzert in Schaan.

Für die Kinder war die Fasnacht immer schon eine faszinierende Zeit. Fast etwas wehmütig nehmen wir Erwachsenen manchmal wahr, mit welcher natürlichen Freude die Kinder die Fasnacht miterleben. Besonders beliebt sind Kinderfasnachtsumzüge, bei denen die kindliche Naivität, eine ursprüngliche Freude und eine echte närrische Ausgelassenheit eine ganz eigene Atmosphäre schaffen. Schon der Vaduzer Oberlehrer Anton Hinger (Lehrer von 1857 - 1895) setzte sich "für die Genehmigung des Maskentragens auf der Strasse auch für Mädchen an der Fasnacht ein, was die Lehrpersonen nie gestatten wollten" (Historisches Jahrbuch, 1983, S. 172). Kinderfasnachtstreiben hat also schon eine lange Tradition. In Vaduz und Eschen gibt es seit 1970 organisierte Kinderfasnachtsumzüge die sich grosser Beliebtheit erfreuen. Die Kinder machen einzeln oder in Gruppen begeistert mit und sparen nicht mit Konfetti und Luftschlangen. Auch Guggenmusiken ziehen mit, denn Lärm ist ein wichtiges Element der Fasnacht. Anschliessend gibt es im Vaduzersaal und im Eschner Gemeindesaal eine "Kinderfasnacht". Auch andere Gemeinden kennen seit neuestem kleinere oder grössere organisierte Kinderumzüge und Kinderfasnachtsanlässe, die von den Trachtenvereinen, Funkenzünften oder eigens von Fasnachtsgesellschaften veranstaltet werden.

Die Fasnacht der Erwachsenen spielt sich vor allem am Abend und in den Nächten ab. Auch in Liechtenstein gehören heute zur Fasnacht "Jubel, Trubel und Heiterkeit", und einige Tage hindurch wird ein nicht geringer Teil der Liechtensteiner von der närrischen Zeit und ihrem Possentreiben erfasst. In den Fasnachtshochburgen finden in den Gemeindesälen Fasnachtsunterhaltungen und -bälle statt. Dabei wird dann die Fasnacht nicht nur in der eigenen Gemeinde erlebt. Die einzelnen Veranstaltungen haben ihren guten Ruf über die Grenzen der Gemeinden hinaus. Besonders erwähnt sei hier der Jugendmaskenball am Fasnachtsmontag in Schaan, der von den Pfadfindern organisiert wird; er hiess ursprünglich Pfadfinderball und hat eine bis in die fünfziger Jahre zurückreichende Tradition. Von ganz anderem Charakter ist der Zunftabend bzw. "Presseball" der Narrenzunft Schaan, zu dem nur geladene Gäste kommen. Das Programm des Abends bestimmen vor allem Büttenreden, in denen vieles spitzfindig aufs Korn genommen wird. Kaum einer, der das Jahr hindurch eine schwache Seite gezeigt hat, bleibt ungeschoren. Die diversen Fasnachtsunterhaltungen landauf und landab haben verschiedenste Namen. Sie nennen sich "Maskenball mit Prämierung", "Fasnacht total", "Larvenball", "Narrenabend", "Pyjamaball" oder ganz einfach "Fasnachtsunterhaltung". Zur Fasnachtsunterhaltung geht ein echter Narr nur maskiert, in möglichst origineller Verkleidung und mit einer "Larve", hinter der er vor allem mit den unmaskierten Besuchern seinen Schabernack treibt. Die gegenseitige Überlistung ist ja der Witz und das Salz dieser ganzen Vermummung, und jeder setzt seinen Stolz daran bis zur Demaskierung unerkannt zu bleiben. Zu jeder grossen Fasnachtsunterhaltung gehören heute auch die schon erwähnten Guggenmusiken, die mit dem ohrenbetäubendem Lärm ihrer in rhythmischer Verzerrung vorgetragenen Melodien einen ganzen Saal in ein tobendes Narrenhaus verwandeln können. Freilich kann an der Fasnacht aus Fröhlichkeit auch Pseudo-Humor und aus gesunder Ausgelassenheit unverantwortliche Zügellosigkeit werden, bis dann spätestens am Aschermittwoch alles wieder in sein Recht tritt. Wir sind in diesen Tagen wirklich "Narren", denn die Tragödien des Lebens suchen wir hinter der komischen Maske zu spielen, die Komödien hinter der tragischen, und die fasnächtliche Lustigkeit ist manchmal wie eine Münze, deren andere Seite nur Verzweiflung widerspiegelt.

Ähnlich wie in der benachbarten Ostschweiz gibt es auch in Liechtenstein während der Fasnacht dekorierte Wirtschaften, Restaurants und Bars. Die Dekoration hält sich an ein Motto, sei es nun "Phantasie in Blau", "Disneyland"; "Tausendundeine Nacht", "Piratenball" oder was auch immer, der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt. Gewisse Höhepunkte der Fasnacht in den "dekorierten Beizen" sind Feste, für die als "Kaffeekränzle", "Kappenfest", "Grosser Hausball" oder Lumpenball" geworben wird. In manchen dekorierten Wirtschaften und Bars müssen allerdings in erster Linie die weiblichen Reize als Lockmittel für die Umsatzsteigerung herhalten. Hier findet eine eigentliche "Demaskierung" statt, Alkohol und unverhüllte sexuelle Reize schaffen Ersatz für von der "gewöhnlichen Fasnacht" ungerührte Narren. "Korn und Disteln wachsen auf demselben Feld", sagt der Dichter, und er hat wohl recht, denn dies zeigt sich auch bei unserer Fasnacht.

Eine alte Institution der liechtensteinischen Fasnacht sind die "Fasnachtszeitungen", die in gewisser Weise an die dörflichen "Rügegerichte" unserer Vorfahren erinnern, wenn sie das Dorf - und Landesgeschehen in humorvoller und witziger Weise kritisch kommentieren. Kaum einer, der sich im verflossenen Jahr etwas zuschulden hat kommen lassen, sei es nun wissentlich oder unwissentlich, kommt hier ungeschoren davon. Freilich bleibt die Fasnachtszeitung für alle jene undurchsichtig, die mit dem Dorfgeschehen nicht so gut vertraut sind. Eine gute Fasnachtszeitung machen ist eine schwierige Aufgabe, die nicht immer gelingt. Glücklicherweise behält der Humor bei den "Redaktoren" meist die Oberhand, nur selten werden sie rachsüchtig, wo es doch ihre Pflicht wäre, schalkhaft zu bleiben. Die erste liechtensteinische Fasnachtszeitung nannte sich "Essiggurke" und erschien im Jahre 1920 in Schaan. In Vaduz kamen 1921 die "Nachrichten des 1. Liechtensteinischen Orchestervereins" heraus; schon 1922 hiess dasselbe Blatt "Vaduzer-Orchester-Hobel" und erschien auch in den darauffolgenden Jahren unter diesem Titel. In Triesen hiess die erste Fasnachtszeitung "Der Spassvogel" und erschien im Jahre 1922 mit der Ankündigung: "Die Liechtensteinische Fasnachtszeitung ist die obligatorische Chronik aller Narrenstreiche und Spezialfiguren aus der engeren Heimat". Ihre Nachfolgerin nannte sich 1923 "Das Fadazeinli". Nach einem grossen Unterbruch erschien in Schaan die "Arschgrüba" und heute gibt es Fasnachtszeitungen in mehreren Gemeinden. Sie nennen sich in Schaan heute "Wingertesel" (1954), in Vaduz "Residenzler" (1971), in Eschen "Provinzler" (1971), in Mauren "Räbahobel" (1980), in Triesenberg "Wildmandli" (1978) und in Ruggell "Jux" (1969).

Gleichsam als Kontrapunkt zum närrischen Treiben sammeln seit den dreissiger Jahren in einigen Gemeinden die Kinder in Fasnachtskleidern für die Missionen. Die Anregung dazu kam von den Kapuzinern in Mels, welche anfänglich auch die Negerkleider und Sammelbüchsen dafür zur Verfügung stellten. Als Sammelbüchsen wurden gerne nickende Negerkinder verwendet. Man kann diesen Brauch als einen Hinweis auf die nahende Fastenzeit verstehen, damit der Gedanke an sie im Trubel der Fasnacht nicht ganz untergeht.

 

Quelle: Adulf Peter Goop:
Brauchtum in Liechtenstein © 1986 Liechtensteinische Trachtenvereinigung, Vaduz